Freitag, 9. März 2018

Väterkarenz - Teil II

"Aber beim zweiten Kind möchte ich genauso lange zuhause bleiben wie du - also ein ganzen Jahr", mit diesen Worten hat meine Frau wohl nicht gerechnet.
Zur Erinnerung: Beim ersten Kind haben wir uns die Karenzzeit elterlich 12+6 aufgeteilt. Dies lag vor allem auch daran, weil wir den zweiten Zwerg mit relativ knappem Abstand planten und auch bekamen. Somit war nach Ablauf meiner Karenzzeit meine Frau bereits wieder in Mutterschutz.
Lady Maryan hatte sich insgeheim wohl selbst ein bisschen längere Karenzzeit erhofft, doch länger als 2 Jahre wollten wir nicht Vollzeit bei den Kindern verbringen, somit blieb nur die Aufteilung 12+12 übrig.

Väterkarenz ist leistbar
Ich habe nie die Argumente der (gut verdienenden) Väter verstanden, dass es sich finanziell nicht ausgeht, wenn "er" zuhause bleibt. Ja, man muss den Gürtel enger schnallen - vor allem wenn das Haupteinkommen wegfällt, doch mit der entsprechenden Planung und ein wenig Genügsamkeit ist auch das möglich.
So eine Schwangerschaft kommt in den meisten Fällen nicht völlig überraschend und selbst wenn, bleibt immer noch genug Zeit um ein paar Rücklagen zu bilden. Inklusive einer angenommenen Karenzzeit von 12 Monaten der Mutter bleiben also rund 20 Monate um zu sparen. Ein Gedankenexperiment: 20 Prozent weniger Einkommen sollte speziell für Besserverdiener bewerkstelligbar sein (alleine der Wegfall des bisherigen Winterurlaubs, der mit dem kleinen Zwerg vielleicht ein bis zweimal ausfällt, birgt schon viel Potenzial). Macht in Summe eine Ersparnis für 3 Monate (unbezahlte) Karenz. Für zwei weitere Monate gibt es Kinderbetreuungsgeld in Höhe von maximal rund 2.000 Euro. Finanzielle Argumente gegen ein halbes Jahr Väterkarenz kann ich also nicht nachvollziehen.

Väterkarenz ist teuer
Was wirklich ins Geld geht, ist die Zeit, um das wenige Geld auszugeben. Während man in der Berufswelt die Geschäftsöffnungszeiten selbst im Büro verbringt, besteht der Tagesablauf in der Karenz aus langen Spaziergängen, Kaffeehausbesuchen, Hol- und Bringwegen zum Kindergarten und ähnliches. All dies führt einen an Auslagen und Geschäften vorbei. Mehr noch, man(n) ist zum Einkaufen gezwungen: Windeln und Babynahrung (ach da nehm ich noch ein paar gebratene Wildschweinkeulen mit), Zutaten fürs tägliche Mittagessen (heute darfs mal der gut getrocknete Tee aus dem Sherwood Forest sein), neues Gewand (ja, diese Sandalen sind aber süß, die muss ich haben) und Spielzeug (Little Robin Hood braucht ja unbedingt schon einen eigenen Bogen).
Kurz gesagt: An einem durchschnittlichen Karenztag hab ich fast mehr Geld ausgegeben, als bei einem Wochenendeinkauf vergangener Zeit. Dies vor allem, wenn der große Zwerg beim Shoppen dabei war und selbst schon den Einkaufswagen befüllte. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Faktor Zeit für längst Aufgeschobenes. Die neue Sandkiste im Park von Nottingham, das Hochbeet auf der Burgmauer oder ein neues Möbelstück für die Kinderstube - und schon muss neues Werkzeug oder Material angeschafft werden.
Finanziell überlebt haben wir das nur mit der oben bereits angeführten Genügsamkeit. Ich musste lernen zu verzichten und meinen Tagesablauf nicht nur in Einkaufstouren zu planen. Ein besonderer Dank ergeht auch an dieser Stelle an Lady Maryan die den Shopaholic in mir behutsam gewähren ließ und dennoch bremste.

Mein Tages-Wochenablauf

Dass die Karenz nicht zur persönlichen Selbstverwirklichung dient, war mir bereits vom ersten Kind bekannt und bewusst. Erschwerend hinzu kam diesmal Zwerg Eins, der eigentlich den Haupt-Tagesablauf bestimmte: In der Früh in den Kindergartenwald bringen, Mittags wieder abholen - zeitlich koordiniert mit dem Mittagsschlaf von Zwerg Zwei. Am Nachmittag das große Kind beschäftigen und dazwischen versuchen, dass alle überleben und die Welt (sowie die Waldhütte) nicht untergeht.
Für Zwerg Zwei schaffte ich es zumindest einmal pro Woche zum Babytreff und einmal zum (von mir geleiteten) Eltern-Kind-Turnen auf der Waldlichtung. Sehr geholfen hat mir wieder mein bewährter Wochenplan: Die Struktur ist nötig, um so Banalitäten wie Spielzeit tatsächlich einzuplanen - Karenz sollte schließlich nicht nur Hausarbeit und Freizeitstress sein.
Ein wenig übertrieben hab ich es wohl mit den Baby/Kind-Kursen. Über die Wintermonate lief parallel mein Eltern-Kind Turnen für die Kleinen und zwei KletterKrabbel Einheiten bei unterschiedlichen Sportvereinen.

Ein Rückblick:
Was gibt es zu den Vorhaben der ersten Karenz zu sagen:
Sport: Der Stress mit zwei Kindern reichte aus - das Verlangen mich selbst noch körperlich zu betätigen war enden wollend.
To-Do-Liste: In der Karenz hab ich wahrscheinlich weniger bewerkstelligt, als "nebenbei". Und das nächste Großprojekt (Baumhaus) werd ich wohl jetzt wieder irgendwo für die Wochenenden einplanen.
Gitarre lernen: No Comment
Bloggen: Selbst für dieses Resümee hab ich jetzt 8 Monate gebraucht...

Der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt
Mir war schon vor dem Karenzantritt klar, dass ich in meinen alten Job der durchsetzt war von der englischen Bürokratie und Aristokratie eher nicht zurückkehren wollte. Nachdem sich dort über die Zeit die Dinge auch nicht auf eine Art verändert hatten, um mir eine freudige Rückkehr schmackhaft zu machen, wollte ich mich anderwertig orientieren. Klar war aber, es gibt mich nur als Vater. Ein Vollzeitjob mit unflexiblen Arbeitszeiten, bei dem ich die Kids wochentags nur selten sehe, kam für mich nicht in Frage. Umso glücklicher bin ich mit der Option, die sich für mich danach aufgetan hat. Eine 4-Tage Woche und Arbeitszeiten, die es mir erlauben die Kids entweder in der Früh in den Kindergartenwald zu bringen oder abends mal auf ihr Nachtlager zu legen, tragen unendlich viel zu einer positiven Worklife-Balance bei. Dafür nehme ich es auch in Kauf, dass ich nun mit meinem Firmenhandy in zweiter Ehe verheiratet bin und abends und am Wochenende nicht mehr wie bisher "abschalten" kann. Für diesen Job habe ich dann auch gerne auf das letzte Karenzmonate verzichtet (wodurch es letztlich eine 12+11 Aufteilung wurde). Auch da zeigte sich der familiäre Zusammenhalt und das Verständnis der Kids im Sherwood.

Die Partnerschaft

Für meine Frau war es toll, beruflich wieder voll durchstarten zu können. Sie weiß unsere Kinder bei mir als gleichberechtigten Partner in guten Händen. Spielzeugtag im Kindergarten, Bastelstunden und ein wohlsortierter Kleiderkasten werden von mir ebenso bewerkstelligt. Vielleicht sogar ein bisschen zu viel, denn nun gibt es Diskussionen, ob denn die Steinschleuder oder die Maultrommel besser für den Spielzeugtag ist. Aber ich glaube, diese Debatten nimmt sie gerne in Kauf, hat sie schließlich in mir einen Partner auf den sie sich voll verlassen kann und der sich seiner Rolle als Vater bewusst und selbstbewusst stellt.

Was zu kurz kam
Besser kann man immer etwas machen. Bei mir wäre es vielleicht eine noch bessere Betreuung von Zwerg Zwei gewesen. Die Aufmerksamkeit lag wohl zu 80% bei dem designierten Thronfolger. Anfangs war das vor allem für mich noch ok und er ist so wahrscheinlich noch enger mit mir verbunden als es nur durch die damalige Karenz erfolgt wäre. Diesmal hat das Kind den Papa in der Karenz unmittelbarer und vor allem bewusster erlebt und so war der Wechsel zurück in die Arbeitswelt für mich eine kleinere Umstellung als für den Nachwuchs. Oft hatte ich jedenfalls das Gefühl, dass ich den Fokus doch hätte anders verteilen sollen. Naja, Pech gehabt Zweitgeborenes - ich bin ja selbst Zweitgeboren und habs auch überlebt... Wirklich schade ist es, dass wir uns schließlich doch (aus finanziellen Gründen) gegen die musikalische Früherziehung entschieden haben. Vor allem in Anbetracht der elterlichen musikalischen Begabung, wäre dieses Geld gut investiert gewesen.

Fortsetzung folgt nicht
Das Thema Familienplanung ist für uns nun abgeschlossen. Wir sind mit den beiden Zwergen überglücklich und fühlen uns in dieser Viererschaft wohl. Nun heißen die neuen Herausforderungen Nachmittagsbetreuung mit Großeltern koordinieren und die ersten Kindergartenprobleme lösen.
Ich habe zwar nicht jeden Tag genossen, aber keine einzige Woche zuhause bereut. Um nichts in der Welt will ich diese Erfahrung missen und kein Geld (Mehrverdienst) kann das Erlebte aufwiegen.
robe

PS: Nachdem ich mich in diversen meiner Blogeinträge über gesundheitliche Probleme mit dem Rücken oder den Knien beschwert habe: Ein Monat nach Karenzbeginn waren alle Beschwerden wie weggeblasen. Die tägliche körperliche Betätigung im Alltag, der permanente Stellungswechsel zwischen Spielen am Boden, Kind tragen, hockerln usw haben den Körper aktiviert. Ja, ein Tag zuhause ist um ein Vielfaches anstrengender, als ein Tag im Büro - aber diese Erfahrung war für mich nicht neu.

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