Montag, 3. November 2014

Karenz vs Arbeit

Wie kommst du klar in der Karenz?

Diese Frage kann ich von mehr oder weniger guten Bekannten nach der ersten Woche meines neuen sinnstiftenden Daseins nicht mehr hören.

An einen Mann gerichtete impliziert diese Frage - vor allem von Damen, die mein eigenes Lebensalter mindestens um 10 weitere übersteigen - zumeist, dass er wohl hemmungslos überfordert sein muss. Besonders amüsiert hat mich die Aussage: "Jetzt siehst du als Mann endlich, was wir Frauen sonst immer leisten müssen". Auf meine Antwort "Ja, aber ehrlich gesagt finde ich es nur halb so schlimm wie die meisten Frauen immer jammern", war die entsprechende Person eher nicht vorbereitet und wird mir wohl auf ewig bös sein.

Danke, es geht mir gut.

Natürlich ist die Karenz anstrengend. Natürlich bin ich manchmal dem Nervenzusammenbruch nahe und natürlich kann mich mein Zwerg manchmal mit aller größtem Schwung in den selben treiben. Aber ist es in der Berufswelt anders?

Ich bezeichne die Karenz gerne als meinen aktuellen Full-Time-Job. Und nachdem ich mehrere Jahre einen äußerst stressigen 10-12 Stunden Arbeitstag hatte, an dem ich ehrlich gesagt nicht wusste, ob ich zuerst meine Mails beantworten, die Presseaussendung fertig schreiben, einen quängeligen Journalisten zurückrufen, das neueste Konzept für den Kunden erstellen oder das Protokoll vom letzten Meeting schreiben sollte, macht der Stress der Kindererziehung keinen gravierenden Unterschied.

Nun lauten meine Herausforderungen Windeln wechseln, Chaos in der Küche beseitigen, Zwerg umziehen bzw. schlafen legen, Einkaufen gehen, den Haushalt auf VorderMANN bringen und kleine Reparaturen vornehmen. Wenn man(n) also nicht von einem behäbigen Beamtenjob in diese andere Welt eintaucht und in derselben selbstverständlich überfordert ist, stellt sich der Unterschied im Stresslevel zwischen Brotjob und Familienjob äußerst gering dar.

Zusammenhalt über alles

Der entscheidende Unterschied kommt nach Bürojob. Während nach einem Arbeitstag die Entspannung kommt, die Kumpels bei einem Bier in der Kneipe warten oder gemütlich ausgegangen wird, heißt es als Kinderbetreuer weiter zu funktionieren. Ob nun die Nächte mit einem zahnenden Kind durchwacht werden müssen oder ein hoffentlich schweigsames Babyphon bewacht wird, entpuppt sich das traute Heim als Gefängnis mit Fußfessel. Hier ist glücklich, wer eine Partnerin hat, mit der die Nächte und oder Abende geteilt werden können, um hin und wieder ein wenig Ausgang zu bekommen.

Mein größter Respekt gehört daher nicht den karenzierten Müttern, sondern den alleinerziehenden Elternteilen, die 24/7 zu 100% funktionieren müssen und vielleicht auch nicht über eine Oma in Rufweite verfügen, die liebend gerne einmal die Beaufsichtigung (auch über Nacht) übernimmt.
Nachdem ich sowohl eine wunderbare Frau habe, mit der ich die Herausforderungen des Elterndaseins hervorragend gemeinsam bewältige und meine Tochter zwei fürsorgliche Großelternpaare hat, die ganz vernarrt in ihre Enkelin sind, habe ich jedenfalls keinen Grund zu Klagen.

robe

PS: Und wenn mich mein Terrorzwerg doch einmal wieder über Gebühr in den Wahnsinn zu treiben versucht denke ich an all die Chefinnen und Chefs in der Berufswelt, die mit ihren MitarbeiterInnen in (un)regelmäßigen Abständen das gleiche tun - und schon geht's mir wieder besser.
Honeybunny85 - 3. Nov, 14:30

Sehr gut auf den Punkt gebraucht. Diesen Beitrag würd ich mir am liebsten einrahmen und aufhängen. :)

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