Volksbefragungsfarce
In drei Wochen findet in Österreich die Abstimmung über die Beibehaltung oder Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht statt – soweit so gut. Damit wird eine der weitreichendsten Entscheidungen seit dem EU-Beitritt getroffen oder zumindest eine tagespolitische Frage zur Beantwortung dem Volk übertragen. Die Intensität der Wichtigkeit wird von vielen unterschiedlich bewertet und liegt wohl irgendwo dazwischen.
General Sinnlos hat uns in den letzten Wochen und Monaten Einblicke in seine subjektiven Erfahrungen mit dem Bundesheer vermittelt. Nun möchte ich mich ein wenig ernsthafter der Thematik widmen.
Bevor ich mich in einem meiner nächsten Beiträge inhaltlich mit der Frage auseinandersetze, zunächst einige Gedanken zu den Rahmenbedingungen. Viele davon sind weniger quergedacht, sondern mitunter bereits mainstreamig mehrfach öffentlich hinauf und hinunterzitiert.
Worum geht’s eigentlich?
Das erschreckendste bei der Abstimmung ist, dass die Frage über die Abschaffung oder Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht fast ausschließlich polemisch über den Zivildienst geführt wird. Es gibt keine Verpflichtung zum Zivildienst, dieser hat sich lediglich historisch als Alternative (zunächst aus moralischen Gründen) herausentwickelt. Dass nun, bei dessen Wegfall der gesamte Sozialstaat zusammenbrechen soll ist ja für sich schon mal in Frage zu stellen, aber dass der Zivildienst als Argument für die Beibehaltung des Bundesheeres herhalten muss, ruft bei mir massives Kopfschütteln hervor.
Interessant erscheint mir auch, dass stets nur über Wehrpflicht (Zivildienst) ja/nein diskutiert wird, doch sich niemand ernsthaft darüber Gedanken zu machen scheint, welche Aufgaben, unter welchen Bedingungen wir dort jeweils erfüllt haben wollen.
• Beim Bundesheer: Was sollen in Zukunft die Aufgaben des österreichischen Militärs sein? Welche Bedrohungsszenarien/potenziellen Einsatzaufgaben gibt es und was braucht man um diese zu bewerkstelligen?
• Beim Zivildienst: Wie sollte der Sozialstaat Österreich strukturiert und aufgestellt sein? Was soll professionell, was ehrenamtlich erledigt werden?
• Allgemein: Wie soll der Zivilschutz (organisatorisch/personell) ausgestaltet sein?
Stärkung der direkten Demokratie
Verkauft wird dem Wahl- und Staatsvolk die Abstimmung (ja, ich weiß, es ist nur eine Volksbefragung, doch die Regierungsparteien haben dem Ergebnis bindenden Charakter zugesichert) als Bürgerbeteiligung in wichtigen Fragen. Tatsächlich jedoch ist die Politik zu feige oder unwillens, selbst eine Entscheidung zu treffen, bzw. haben es die Koalitionsparteien in der Vergangenheit nicht geschafft, bei diesem Thema eine Einigung zu erzielen. Dies darf jedoch nicht davon ablenken dass es einen gewählten Nationalrat gibt, der als Vertretung des Volkes über solche Sachen zu entscheiden hätte.
Warum wird gerade beim Militär die Bevölkerung befragt? Gibt es nicht auch andere entscheidende Themen, bei denen eine Bürgerbeteiligung anzudenken wäre? Wie steht es um den dem Bildungsbereich? Hat die Einführung der flächendeckenden Mittelschule oder der Studiengebühren nicht ebenso große gesellschaftliche Folgen? Was ist mit der Gesundheitspolitik? Sollten wir nicht auch mitreden dürfen, wenn es darum geht wann ich wo welche Leistung für welche Kosten erhalten kann? Und wenn wir so weiterüberlegen – wo ziehen wir die Grenze?
Walkampfstimmung
Viel erschütternder ist jedoch die Tatsache, dass sich die Abstimmung zu einer reinen parteipolitischen Wahlkampf-Farce verkommt. Das Thema sollte eigentlich viel zu wichtig sein, um es als Lagerdebatte zu führen. Dass die linke Reichshälfte aus historischen Gründen eigentlich gegen ein Berufsheer sein müsste (und immer war), nun aber in diesem das Allheil sieht, ist nur ein amüsantes Detail am Rande.
Und so werden auch munter diverse Vereinigungen instrumentalisiert, um ihre Mitglieder pro oder contra Wehrpflicht moralisch zu verpflichten. Inhaltlich nachvollziehbar ist dies jedoch keineswegs mehr, denn was hat diese Abstimmung mit den Interessen eines Sportvereins, einer Autofahrervereinigung oder einer Gewerkschaftsgruppierung zu tun? Trotzdem müssen diese derzeit mitunter sogar gegen ihre eigenen Werte parteipolitisch agieren. Absurd erscheint dies vor allem am Beispiel der Gewerkschaft: Potenzielle Berufssoldaten und Arbeiter im dann angedachten Sozialdienst wären als künftige Mitglieder interessant. Ein Grundwehrdiener oder Zivildiener ist nur in den seltensten Fällen Gewerkschaftsmitglied. Dennoch bezieht eine Gewerkschaftsfraktion massiv Position für die Beibehaltung des aktuellen Systems. Dies ist wieder ein wunderbares Beispiel für parteipolitischen, blinden Gehorsam in unserem Land...
Direkte Demokratie ja, aber richtig
robe
General Sinnlos hat uns in den letzten Wochen und Monaten Einblicke in seine subjektiven Erfahrungen mit dem Bundesheer vermittelt. Nun möchte ich mich ein wenig ernsthafter der Thematik widmen.
Bevor ich mich in einem meiner nächsten Beiträge inhaltlich mit der Frage auseinandersetze, zunächst einige Gedanken zu den Rahmenbedingungen. Viele davon sind weniger quergedacht, sondern mitunter bereits mainstreamig mehrfach öffentlich hinauf und hinunterzitiert.
Worum geht’s eigentlich?
Das erschreckendste bei der Abstimmung ist, dass die Frage über die Abschaffung oder Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht fast ausschließlich polemisch über den Zivildienst geführt wird. Es gibt keine Verpflichtung zum Zivildienst, dieser hat sich lediglich historisch als Alternative (zunächst aus moralischen Gründen) herausentwickelt. Dass nun, bei dessen Wegfall der gesamte Sozialstaat zusammenbrechen soll ist ja für sich schon mal in Frage zu stellen, aber dass der Zivildienst als Argument für die Beibehaltung des Bundesheeres herhalten muss, ruft bei mir massives Kopfschütteln hervor.
Interessant erscheint mir auch, dass stets nur über Wehrpflicht (Zivildienst) ja/nein diskutiert wird, doch sich niemand ernsthaft darüber Gedanken zu machen scheint, welche Aufgaben, unter welchen Bedingungen wir dort jeweils erfüllt haben wollen.
• Beim Bundesheer: Was sollen in Zukunft die Aufgaben des österreichischen Militärs sein? Welche Bedrohungsszenarien/potenziellen Einsatzaufgaben gibt es und was braucht man um diese zu bewerkstelligen?
• Beim Zivildienst: Wie sollte der Sozialstaat Österreich strukturiert und aufgestellt sein? Was soll professionell, was ehrenamtlich erledigt werden?
• Allgemein: Wie soll der Zivilschutz (organisatorisch/personell) ausgestaltet sein?
Stärkung der direkten Demokratie
Verkauft wird dem Wahl- und Staatsvolk die Abstimmung (ja, ich weiß, es ist nur eine Volksbefragung, doch die Regierungsparteien haben dem Ergebnis bindenden Charakter zugesichert) als Bürgerbeteiligung in wichtigen Fragen. Tatsächlich jedoch ist die Politik zu feige oder unwillens, selbst eine Entscheidung zu treffen, bzw. haben es die Koalitionsparteien in der Vergangenheit nicht geschafft, bei diesem Thema eine Einigung zu erzielen. Dies darf jedoch nicht davon ablenken dass es einen gewählten Nationalrat gibt, der als Vertretung des Volkes über solche Sachen zu entscheiden hätte.
Warum wird gerade beim Militär die Bevölkerung befragt? Gibt es nicht auch andere entscheidende Themen, bei denen eine Bürgerbeteiligung anzudenken wäre? Wie steht es um den dem Bildungsbereich? Hat die Einführung der flächendeckenden Mittelschule oder der Studiengebühren nicht ebenso große gesellschaftliche Folgen? Was ist mit der Gesundheitspolitik? Sollten wir nicht auch mitreden dürfen, wenn es darum geht wann ich wo welche Leistung für welche Kosten erhalten kann? Und wenn wir so weiterüberlegen – wo ziehen wir die Grenze?
Walkampfstimmung
Viel erschütternder ist jedoch die Tatsache, dass sich die Abstimmung zu einer reinen parteipolitischen Wahlkampf-Farce verkommt. Das Thema sollte eigentlich viel zu wichtig sein, um es als Lagerdebatte zu führen. Dass die linke Reichshälfte aus historischen Gründen eigentlich gegen ein Berufsheer sein müsste (und immer war), nun aber in diesem das Allheil sieht, ist nur ein amüsantes Detail am Rande.
Und so werden auch munter diverse Vereinigungen instrumentalisiert, um ihre Mitglieder pro oder contra Wehrpflicht moralisch zu verpflichten. Inhaltlich nachvollziehbar ist dies jedoch keineswegs mehr, denn was hat diese Abstimmung mit den Interessen eines Sportvereins, einer Autofahrervereinigung oder einer Gewerkschaftsgruppierung zu tun? Trotzdem müssen diese derzeit mitunter sogar gegen ihre eigenen Werte parteipolitisch agieren. Absurd erscheint dies vor allem am Beispiel der Gewerkschaft: Potenzielle Berufssoldaten und Arbeiter im dann angedachten Sozialdienst wären als künftige Mitglieder interessant. Ein Grundwehrdiener oder Zivildiener ist nur in den seltensten Fällen Gewerkschaftsmitglied. Dennoch bezieht eine Gewerkschaftsfraktion massiv Position für die Beibehaltung des aktuellen Systems. Dies ist wieder ein wunderbares Beispiel für parteipolitischen, blinden Gehorsam in unserem Land...
Direkte Demokratie ja, aber richtig
robe
Sherwood - 25. Dez, 17:59