Donnerstag, 18. Dezember 2014

Im Alltagswahn

Ende der Euphorie
Sechs Wochen hat meine Karenz gedauert, ehe mich der Alltagswahn eingeholt hat. Zunächst war ich noch voller euphorischer Glücksmomente. Wie ein Jugendlicher beim ersten Date oder wie der Führerscheinneuling, der erstmals alleine mit Papas Auto wegfahren darf.

Irgendwann kommt jedoch die Ernüchterung (nicht dass das daten und knutschen nicht immer noch seine Reize hätte, aber das Autofahren empfinde ich auch zusehends als nervig angesichts des Wahnsinns auf den Straßen). Vorbei das glückliche Strahlen des "Ich bin jetzt in Karenz"-Papas.

Vielmehr sehe ich mich gefangen in einem engen zeitlichen Korsett aus Fütterungssessions, Schlafzeiten, Spieledates und Ausflügen mit dem Kinderwagen. Was anfangs neu und aufregend war, wird zur Routine und fast schon lästigen Pflicht.
Nicht falsch verstehen: Ich genieße es immer noch, bei meinem Zwerg zu sein und ständige neue Schritte (im wahrsten Sinne des Wortes) begleiten zu dürfen, doch verstehe ich auch in diesem Aspekt Mütter besser - man hat zuhause oft das Gefühl dass die Decke auf den Kopf fällt.

Ursachenforschung
Momentan kommt bei mir eine gehörige Portion Winterdepression hinzu. Die Tage werden noch immer kürzer und die früh hereinbrechende Dunkelheit engt zwar nicht den Bewegungshorizont, aber die dafür sinnvoll zur Verfügung stehende Zeit gehörig ein. Wir trinken das Frühstücksfläschchen bei künstlichem Licht und auch der Nachmittagsbrei geht zumeist nur noch mit technischer Helligkeitszufuhr.

Die Winterzeit ist aber auch schmutzig und nasskalt. Bei jedem Schritt vor die Tür mit dem Zwerg muss dieser nach gefühlter ewigkeitsähnlicher Tortur in ein komplett neues Outfit verfrachtet werden. Und: Es gibt einfach schönere und spannender (vor allem auch einfachere) Dinge, als ein Kleinkind in Strumpfhose, warme Hose, Zusatzpulli, Winterjacke, Halstuch, Handschuhe und Haube zu stecken (und bei der Heimkehr wieder retour). So überlege ich mir jeden Gang zum Bäcker oder auch ins Kaffeehaus und versumpfe zumeist zuhause bis mich das schlechte Gewissen packt, weil der Nachwuchs halt doch mal wieder an die frische Luft sollte.

Täglich warten auch neue Herausforderungen, die in unterschiedlicher Intensität den Willen brechen. Ja, ich sollte konsequent sein, aber wenn sich mein Terrorzwerg mal gerade gegen das Lätzchen wehrt oder heute ein bestimmtes Essen nur ausspuckt das gestern noch begierig verschlungen wurde bleibt zu "Hungern lassen" oft nur die Resignation als Alternative. In diesen Momenten sehne ich mir die abendliche Heimkehr der Mutter noch schneller herbei.

Die Lösung
Ja, jetzt verstehe ich warum Mütter sich oft zu einem Pläuschchen im Kaffeehaus, Stillgruppen, gemeinsamen Spaziergängen, Shoppingtouren oder anderen Alternativen verabreden. Ein bisschen raus aus dem eigenen Alltag, Tapetenwechsel und vor allem der Austausch mit anderen Gleichgesinnten (oder auch Leidensgenossen genannt) ist oft bitternotwendig.

Ich habe mir jetzt ein paar Tage Urlaub von Frau und Kind zum Skifahren gegönnt und bin danach mehr oder weniger erholt und motiviert heimgekehrt. Eine kurze Auszeit sozusagen ist glaube ich die beste Lösung und sollte sich jeder Elternteil in Karenz in mehr oder weniger starken Dosen gelegentlich gönnen.

Jetzt freue ich mich wieder auf die nächsten Monate (vor allem da die Tage bald wieder länger werden) und bemühe mich die positiven Aspekte hervorzukehren und die Schranken die großteils nur in meinem Kopf sitzen zu durchbrechen.

Und wenn nichts mehr hilft, kann ich ja an die Alternative denken, die da heißt im Büro zu sitzen und Akten wälzen - und schon darf mich mein Zwerg wieder ein klein wenig mehr in den täglichen Wahnsinn treiben.

robe

Neues aus dem Reich der Querdenker

Einsteigen Mitdenken Aussteigen Freidenken

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Was ist Journalismus
Je näher man an manchen Sachen dran ist, desto kritischer...
Sherwood - 26. Nov, 20:23
Glück und Unglück
In der März 2018 Ausgabe des Bergwelten Magazin war...
Sherwood - 26. Mär, 21:06
Väterkarenz - Teil II
"Aber beim zweiten Kind möchte ich genauso lange zuhause...
Sherwood - 9. Mär, 22:19
ÖBB Ticketautomat
Bahnreisen hier im Sherwood Forrest sind nicht gerade...
Sherwood - 24. Nov, 18:26
Sunny Bunny Kinderhotel
der beste Marketingprofi den ich kenne, ist Sunny Bunny....
Sherwood - 25. Aug, 19:31

Suche

 

Status

Online seit 4232 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 26. Nov, 20:23

Credits


About
Alltägliches
Asyl
daddysitting
Dienstleistungen
Erfahrungswelt
Freidenken
Gender
Gesellschaft
Naturbeziehungen
Pension
Steuersystem
Wehrpflicht
Zitate
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren