Dienstag, 25. Dezember 2012

Nächstenliebe

Am Nachmittag des Heiligen Abend war ich in einer Nachbarortschaft am Grab eines Freundes. Ich wollte für den Rückweg nicht eine Stunde auf den nächsten Zug warten und so beschloss ich zum Ersten Mal per Anhalter zu fahren. Dies sollte – so dachte ich – an einem Tag wie diesem nicht besonders schwer sein. Ich hatte allerdings die Rechnung ohne meine Mitmenschen gemacht.
Gezählte 24 Autos sind an mir und meinem ausgestreckten Daumen vorbeigefahren. So habe ich mich bereits auf einen entspannten Fußmarsch eingestellt. 45 Minuten und gut 4 km später (ich war also quasi schon wieder fast zuhause) hat das 25. Auto im Nebel angehalten.

Unerwartete Hilfe
Wer war bereit mich mitzunehmen? Es waren nicht die Audis, BMWs oder Mercedes oder ein Mittelklassewagen eines Mitbürgers am Weg zur Weihnachtsfeier. Es war niemand, der wahrscheinlich nur all zu gut die Weihnachtsgeschichte rund um Mr. Scrooge kennt. Es war ein in die Jahre gekommener Kleinwagen – am Steuer saß jemand mit nicht gut sprechen deutsch, auf der Rückbank zwei Kleinkinder vorbildlichst im Kindersitz angegurtet. Während all die anderen vielleicht um ihr Auto oder ihr Bargeld fürchteten, weil sich ein Landstreicher etwa gerade den ersten Weihnachtstag für einen Überfall ausgesucht hatte, war das Risiko meines Chauffeurs viel größer – er hätte im Ernstfall seine beiden Kinder gefährdet.
In meiner Heimat angekommen bedankte ich mich freundlich für die geleistete Hilfe und reichte ihm einen kleinen Geldschein. Er wehrte heftig gestikulierend ab und verwies auf seine freizügige Hilfsbereitschaft „weil ist ja Weihnachten“. Ich bestand darauf und bat ihn, den Kindern etwas Nettes zu kaufen.
Ich glaube, mein Chauffeur hat sich heute dreifach gefreut: einmal, weil er einem Fremden Gutes getan hat; einmal, weil er aus dieser Situation keinen eventuell drohenden Nachteil erlitten hat; und einmal, weil sich ein Fremder für eine Selbstverständlichkeit am Heiligen Abend überaus erkenntlich gezeigt hat.
All jene, die an mir vorbeigefahren sind, hatten vielleicht bei der Weiterfahrt und zuhause vor dem Christbaum oder später in der Weihnachtsmette ein schlechtes Gewissen wegen ihres Egoismus. Vielleicht haben sie dieses Gewissen bei der Kirchenkollekte versucht wieder reinzukaufen, doch eine anonyme Spende hat nie das Gewicht einer realen Tat.

In diesem Sinne: Friede und Freude allen Menschen auf Gottes Erden.

robe

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