Mittwoch, 15. April 2015

6 Monate Väterkarenz gehen zu Ende

Was bisher geschah
Mit einem mulmigen Gefühl bin ich vor einem knappen halben Jahr pünktlich mit dem ersten Geburtstag meines Zwergs in meine Väterkarenz gestartet.
Siehe dazu auch meinen Auftaktbeitrag: http://sherwood.twoday.net/stories/start-vaeterkarenz/

Nach einer ersten Eingewöhnung hatte ich soweit alles im Griff: http://sherwood.twoday.net/stories/karenz-vs-arbeit/
bis mich schließlich der Alltag einholte: http://sherwood.twoday.net/stories/im-alltagswahn/

In den letzten sechs Monaten ist viel passiert und mit Ausnahme weniger Tage im Büro zwischen meinen zwei Karenzphasen und einiger Urlaubstage, die ich mir gegönnt hatte, verbrachte ich diese Monate quasi Tag und Nacht mit meinem Kind. Dies ist für mich insofern ein besonderer Aspekt, da ich seit meinem eigenen Eintritt in den Kindergarten vor gut 30 Jahren nie wieder eine solange intensive Zeit ständig mit ein und derselben Person hatte.

Morgen endet mein Väterkarenzdasein und die Arbeitswelt holt mich wieder ein. Der Übergang wird vorerst nur halb so schlimm, da ich noch einige Wochen Teilzeitarbeit vor mir habe, um den Übergang etwas sanfter zu gestalten.
Der heutige Abend ist aber die perfekte Gelegenheit um ein wenig Bilanz zu ziehen

Die Vorhaben
Ich hatte eine lange Liste mit Plänen für meine Karenz gemacht, doch was ist aus all diesen Vorsätzen geworden?

Sport
Ich wollte die Zeit für Sport nutzen. Nun, zunächst einmal sind die Wintermonate nicht die beste Gelegenheit um ausführliche Radtouren (mit einem Kleinkind) zu unternehmen und für großartige Schneeschuhwanderungen oder ähnliches fehlte der Schnee. Auf das Laufband stellen, während die Kleine den Fitnessraum zerlegt oder selbst auf das Band krabbelt war illusorisch und abends fehlte mir schlichtweg die Energie um noch großartig aktiv zu werden.

Sportlich sehr aktiv war allerdings mein kleiner Zwerg. Mit Beginn meiner Karenz haben wir angefangen einmal wöchentlich zum Kleinkinderturnen des örtlichen Sportvereins zu gehen und für mehrere Wochen habe ich im Rahmen meiner Alpenvereins-Klettertrainertätigkeit selbst auch ein "Kletterkrabbeln" angeboten, was meinem Kind immer wahnsinnig Spaß gemacht hat und auch wichtig für seine soziale Entwicklung war.

Todo Liste
Ich hab mir penibel aufgeschrieben, welche Dinge - die ich auf die lange Bank geschoben hatte - ich in der Karenz erledigen würde und gut 90% davon habe ich geschafft (unter anderem wurde der Steuerausgleich für die letzten vier Jahre gestern eingereicht). Auch meine "neue" GPS Outdoor Uhr habe ich nach 11 Monaten endlich konfiguriert. Die letzten Dinge auf der Liste haben Zeit für die nächste Karenz...

Gitarre lernen
Als streng unmusikalischer Mensch wollte ich das musische Gehör meines Kindes insofern weiter strapazieren als ich diverse gesangliche Darbietungen auch noch auf einem Saiteninstrument zu begleiten beabsichtigte. Nun - die Kleine liebt es wenn Papa Gitarre spielt und Papa kann auch schon fünf Akkorde, doch das Umgreifen funktioniert etwa so gut wie das Takt halten vor 20 Jahren am Klavier (damals hatte mein Lehrer meinem Vater mitgeteilt, dass sich dieser das Geld für meinen Unterricht sparen könne).

Bloggen
Eigentlich wollte ich über meine Väterkarenz ein Tagebuch führen (und auch gleich mit der Welt teilen). Aber: tagsüber hat mich der Zwerg dermaßen gefordert dass gelegentliches twittern schon schwierig war und abends gab es oft einfach wichtigeres (erholsameres zu tun). So werde ich mich in Jahren auf mein Gedächtnis betreffend die letzten Monate verlassen müssen.

Wochenplan
Woche für Woche habe ich (mit meiner Kleinen) einen Plan erstellt, wie wir die kommende Woche verbringen würden. Dabei waren Einkaufstouren ebenso vorgesehen wie Besuchszeiten, Stunden mit den Großeltern und eine Papa-Play-Time. Dieser Plan hat uns geholfen, das Leben zu strukturieren und darauf zu achten, dass nichts und niemand zu kurz kommt.

Die Erfahrung
Arbeit vs. Karenz
Das Karenzdasein ist kein (Erholungs)urlaub, sondern mehr als ein Vollzeitjob. Im Unterschied zu noch so anstrengenden beruflichen Tätigkeiten, gibt es einfach keine Pause. Man kann nicht einfach mal nicht das Handy abheben, ein Meeting canceln oder die Bürotür abschließen. Wenn das Kind in der Nacht ein Bedürfnis hat, bleibt einem nichts anderes übrig als stundenlang vor dem Gitterbett auszuharren.

Beruflicher Profit
Ich kann mir von den letzten Monaten aber auch viel für mein berufliches Leben mitnehmen. Ich habe noch besser gelernt, mehrere Dinge gleichzeitig zu jonglieren und vor allem die Prioritäten richtig zu setzen. Würden die Dienstgeber und Personalverantwortlichen in unserem Land diesen Aspekt realisieren würden sie sämtliche MitarbeiterInnen dazu ermutigen in Karenz zu gehen, statt diesen ihre Elternzeit mit diversen Hürden zu erschweren. Der langfristige Vorteil für ein Unternehmen ist sicherlich höher als der kurzfristige Nachteil.


Die unmittelbare Erfahrung

Ich habe gelernt, dass man in der Karenz auf der einen Seite nichts planen kann und auf der anderen Seite alles planen muss, damit das Leben geordnet läuft. Bei aller Spontanität, ist es aber wichtig, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
Die wichtigste Erkenntnis in diesem Konnex war aber, dass es umso besser mit der Kleinen läuft, je genauer ich ihr Dinge und Zusammenhänge erklärt habe. Auch mit einem guten Jahr sind Kinder keine hirnlosen Geschöpfe, sondern geistig hochaktive Lebewesen, die bei allen Untaten nichts wirklich Böses im Schilde führen. Diese Erfahrung hätte ich ohne Karenz sicher nicht machen können - denn dies lernt man nicht aus Büchern, Erzählungen oder an einem Wochenende - man muss es über Tage und Wochen erleben.


Emotionaler Ausblick

Die letzten Monate waren eine wahnsinnige Bereicherung für mich als Menschen, als Vater, als Ehemann und als berufstätigen Menschen. Auch wenn es oft sehr anstrengend und gelegentlich emotional fordernd war, sodass ich mitunter an der Grenze meiner Belastbarkeit angelangt war, möchte ich doch keinen einzigen Tag dieser Monate missen.

Unbeschreiblich war jedenfalls der Tag, an dem sie das erste Mal "Papa" gesagt hat - dieser Tag rangiert definitiv unter den Top 5 meines Lebens.

Auch klar ist für meine Familie, dass eine gemeinsame Karenz von Mama und Papa keine Option ist: http://sherwood.twoday.net/stories/mama-at-home/

Jetzt bin ich aber auch in der glücklichen Situation, einer schwangeren Frau gegenüber zu sitzen - das heißt meine nächste Karenz rückt in absehbare Nähe und ich freue mich ungemein darauf, auch mit meinem zweiten Kind ein paar Monate seines Lebens intensiv verbringen zu dürfen.

robe

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